Um ehrlich zu sein, gab es eigentlich keine richtigen Fotos von der Außenansicht unseres Bürogebäudes. Die Wetteraussichten für diese Woche waren bestens und es war an der Zeit, diesen Missstand zu beseitigen.
Einer meiner Söhne ist durchaus Fotografiebegeistert und freute sich bei meiner Frage, ob er vielleicht mitkommen wolle. Ja, es wird sicherlich später, aber vielleicht wäre das eine gute Gelegenheit, ihn am Vorabend etwas abzulenken von seinem bevorstehenden ersten Tag an seiner neuen Schule.
Als es dann am Dienstag so weit ist, zieht er es jedoch vor, zu Hause zu bleiben. Er betont, wie gerne er mitkommen würde aber er sei einfach zu müde und hätte Angst, dass er am nächsten Tag dann nicht richtig fit für die „Einschulung“ sei. Schade, aber natürlich verständlich. So viel Vernunft. Er wird groß…
Also mache ich mich gegen kurz vor 8 noch einmal auf den Weg zum Büro. Es sollen Fotos vom Gebäude in der blauen Stunde werden. Ich brauche nur wenige Minuten. Jeden Tag freue ich mich darüber, dass ich mich durch keinerlei Stadtverkehr quälen muss. Am Büro angekommen schalte ich zunächst in allen zur Straße gewandten Räumen das Licht an. Draußen auf dem Parkplatz kann ich noch ein Foto gegen die Sonne machen, bevor sie hinter den Bäumen verschwindet. Dafür bin ich eigentlich schon zu spät dran.

Ich wechsel mit Kamera und Stativ die Straßenseite und mache ein paar Testaufnahmen. Noch sieht man die Lichter in den Fenstern nicht. Aus den vorbeifahrenden Autos schauen mich die Leute neugierig an. Wenn mein Sohn jetzt hier wäre, hätte er wahrscheinlich großen Spaß an den Leuten, die abrupt abbremsen, weil sie mich für eine Geschwindigkeitskontrolle halten.
Während der nächsten halben Stunde verlängere ich die Belichtungszeiten immer weiter und passe sie an das geringer werdende Umgebungslicht an. Mein „Zielfoto“ soll Lichtspuren von Autos enthalten. Dafür muss die Belichtungszeit aber noch länger werden. Langsam erkennt man auch die Fensterlichter.
Eine Nachricht meiner Frau: „Kind 2 schläft tief und fest“. Dann war es wohl wirklich besser, dass er nicht mitgekommen ist.
Mit dem Fernauslöser versuche ich den richtigen Moment zu erwischen, wenn die Autos in das Bild kommen. Mit den roten Lichtspuren der aus dem Bild herausfahrenden Autos sieht es auf jeden Fall besser aus als mit den Frontscheinwerfern der Autos, die auf die Kamera zufahren.
Gegen halb zehn packe ich meine Ausrüstung zusammen. Nachdem ich in allen Räumen das Licht wieder ausgeschaltet habe, mache ich mich auf den Heimweg.



